Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden die Sprachform des generischen Maskulinums
verwendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig
verstanden werden soll.
Albert Einstein (1879 – 1955, Nobelpreis 1921) (Quelle: https://picryl.com/media/albert-einstein-washington-dc, 08.04.2021)
Albert Einsteins Spezielle Relativitätstheorie veränderte die Begriffe Raum und Zeit der
klassischen Physik und besiegelte das Ende der Newtonschen Idee vom absoluten Raum und der absoluten Zeit. In allen relativ zueinander
gleichförmig geradlinig bewegten Bezugssystemen, den Inertialsystemen, gelten die gleichen Gesetze der Physik. Werden in solchen Systemen Zeiten
und Längen entsprechend den Messvorschriften gemessen, so stellt man fest, dass sich in jedem System eine andere Maßzahl ergibt. Es gilt
nicht mehr die absolute Gleichzeitigkeit von Ereignissen und die Lichtgeschwindigkeit ist eine absolute Grenzgeschwindigkeit. Sie ist die
größte Geschwindigkeit, mit der Wirkungen übertragen werden können.
Bewegt sich ein Bezugssystem jedoch beschleunigt gegenüber einem Inertialsystem, so ist es gegenüber diesem System nicht mehr gleichwertig.
Bezieht man Naturgesetze auf solche beschleunigte Bezugssysteme, dann lauten sie anders. Einstein wusste um diese Einschränkung der Speziellen
Relativitätstheorie.
"Als 1905 mit der Speziellen Relativitätstheorie die Gleichwertigkeit aller sogenannter
Inertialsysteme für die Formulierung der Naturgesetze erlangt war, wirkte die Frage mehr als naheliegend, ob es wohl nicht eine weitergehende
Gleichwertigkeit der Koordinatensysteme gäbe? Anders ausgedrückt: Wenn dem Begriff der Geschwindigkeit nur ein relativer Sinn zugeschrieben
werden kann, soll man trotzdem daran festhalten, die Beschleunigung als absoluten Begriff festzuhalten?
Vom rein kinematischen Standpunkt aus war ja die Relativität beliebiger Bewegungen nicht zu bezweifeln; aber physikalisch schien dem
Inertialsystem eine bevorzugte Bedeutung zuzukommen, welche die Bedeutung anders bewegter Koordinatensysteme als künstlich erscheinen
ließ."
Das Relativitätsprinzip musste also dahingehend verallgemeinert werden, dass die Gesetze der Physik in
beliebig bewegten Bezugssystemen in gleicher Weise gelten. Um diese Verallgemeinerung des Relativitätsprinzips zu erreichen, versuchte Einstein
das Gravitationsgesetz im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie zu beschreiben. Im Newtonschen Gravitationsgesetz ist die anziehende
Kraft F zwischen zwei Körpern gegeben durch
Die Kraft hängt nur von den beiden Körpermassen m1 und m2, ihrem
gegenseitigen Abstand r und der Gravitationskonstanten G ab. Ändert sich z.B. der Abstand der beiden Massen, so ändert sich auch
unmittelbar die Kraft zwischen den beiden Massen. Einstein war jedoch davon überzeugt, dass eine solche unverzüglich einsetzende Fernwirkung
mit der in der Speziellen Relativitätstheorie postulierten Relativität der Gleichzeitigkeit und der Lichtgeschwindigkeit als maximaler
Geschwindigkeit für die Übertragung von Wirkungen unvereinbar ist.
"Ich kam der Lösung des Problems zum erstenmal einen Schritt näher,
als ich versuchte, das Gravitationsgesetz im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie zu behandeln. Wie die meisten damaligen Autoren versuchte
ich, ein Feldgesetz für die Gravitation aufzustellen, da ja die Einführung unvermittelter Fernwirkung wegen der Abschaffung des absoluten
Gleichzeitigkeitsbegriffs nicht mehr oder wenigstens nicht mehr in irgendwie natürlicher Weise möglich war."
(Einstein, Albert: Mein Weltbild, Verlag Ullstein GmbH 1972, S. 135)
Beim Versuch einer Vereinigung des Gravitationsgesetzes mit seiner Speziellen Relativitätstheorie musste
er schließlich erkennen, dass seine Lösungen mit dem Satz über die Gleichheit von schwerer und träger Masse nicht vereinbar
waren, der durch die Versuche von Loránd Eötvös (1848 – 1919) experimentell abgesichert war. Diese
Unvereinbarkeit zeigte Einstein mit einem einfachen Gedankenexperiment.
Man stelle sich einen fallenden Stein und eine gleichzeitig in horizontaler Richtung abgeschossene Kugel vor. Die Kugel wird aus der gleichen
Höhe abgeschossen, von der aus der Stein fällt. Gemäß den Gesetzen der klassischen Mechanik treffen für einen Beobachter,
der am Abwurfpunkt des Steines ruht, beide Körper gleichzeitig am Boden auf.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020,
Icon von Icons8, https://icons8.de/icons/set/kugel, 10.04.2021, Icon von Icons8, https://icons8.de/icons/set/stein, 10.04.2021)
Für einen Beobachter, der sich mit der Geschwindigkeit der Kugel in horizontaler Richtung bewegt, kehren
sich die Rollen von Stein und Kugel um. Er sieht die Kugel unter sich senkrecht nach unten fallen, während der Stein wie abgeschossen in
entgegengesetzter Richtung wegfliegt. Nach der klassischen Mechanik müssen auch hier beide Körper wieder gleichzeitig auf dem Boden
auftreffen.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020,
Icon von Icons8, https://icons8.de/icons/set/kugel, 10.04.2021, Icon von Icons8, https://icons8.de/icons/set/stein, 10.04.2021)
Nach der Speziellen Relativitätstheorie können jedoch wegen der Relativität der
Gleichzeitigkeit gegeneinander bewegter Bezugssysteme die Kugel und der Stein nur in einem der beiden Bezugssysteme gleichzeitig auf dem Boden
auftreffen, nicht aber in beiden. Einstein sah darin den Ausgangspunkt für eine Lösung.
"Solche Untersuchungen führten aber zu einem Ergebnis, das mich in hohem Maß
mißtrauisch machte. Gemäß der klassischen Mechanik ist nämlich die Vertikalbeschleunigung eines Körpers im vertikalen
Schwerefeld von der Horizontalkomponente der Geschwindigkeit unabhängig. Hiermit hängt es zusammen, daß die Vertikalbeschleunigung
eines mechanischen Systems bzw. dessen Schwerpunktes in einem solchen Schwerefeld unabhängig herauskommt von dessen innerer kinetischer Energie.
Nach der von mir versuchten Theorie war aber die Unabhängigkeit der Fallbeschleunigung von der Horizontalgeschwindigkeit bzw. von der inneren
Energie eines Systems nicht vorhanden.
Dies paßte nicht zur alten Erfahrung, daß die Körper alle dieselbe Beschleunigung in einem Gravitationsfeld erfahren. Dieser Satz,
der auch als der Satz von der Gleichheit der trägen und schweren Masse formuliert werden kann, leuchtete mir nun in seiner tiefen Bedeutung ein.
Ich wunderte mich im höchsten Grade über sein Bestehen und vermutete, daß in ihm der Schlüssel für ein tieferes
Verständnis der Trägheit und Gravitation liegen müsse. An seiner strengen Gültigkeit habe ich auch ohne Kenntnis des Resultates
der schönen Versuche von Eötvös, die mir - wenn ich mich richtig erinnere - erst später bekanntwurden, nicht ernsthaft gezweifelt.
Nun verwarf ich den Versuch der oben angedeuteten Behandlung des Gravitationsproblems im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie als
inadäquat. Er wurde offenbar gerade der fundamentalsten Eigenschaft der Gravitation nicht gerecht. Der Satz von der Gleichheit der trägen
und schweren Masse konnte nun sehr anschaulich so formuliert werden: In einem homogenen Gravitationsfeld gehen alle Bewegungen so vor sich wie bei
Abwesenheit eines Gravitationsfeldes in bezug auf ein gleichförmig beschleunigtes Koordinatensystem. Galt dieser Satz für beliebige
Vorgänge ("Äquivalenzprinzip"), so war dies ein Hinweis darauf, daß das Relativitätsprinzip auf ungleichförmig
gegeneinander bewegte Koordinatensysteme erweitert werden mußte, wenn man zu einer ungezwungenen Theorie des Gravitationsfeldes gelangen wollte.
Solcherlei Überlegungen beschäftigten mich 1908 bis 1911, und ich versuchte, spezielle Folgerungen hieraus zu ziehen, von denen ich hier
nicht sprechen will. Wichtig war zunächst nur die Erkenntnis, daß eine vernünftige Theorie der Gravitation nur von einer Erweiterung
des Relativitätsprinzips zu erwarten war."
Es galt also, eine Theorie aufzustellen, deren Gleichungen ihre Form behielten, wenn zwischen Bezugssystemen
transformiert wird, die sich mit beliebiger Geschwindigkeit gegeneinander bewegen. Es musste eine Erweiterung der Speziellen Relativitätstheorie
sein und außerdem auch eine physikalische Erklärung für die Gravitation liefern, die die Newtonsche Theorie als Näherung
enthält. 1915 hatte Einstein sein Ziel erreicht und konnte seine Ergebnisse im November dieses Jahres vor der Preußischen Akademie der
Wissenschaften in Berlin präsentieren. Veröffentlicht wurde die Theorie 1916 in den Annalen der Physik unter dem Titel "Die Grundlage
der allgemeinen Relativitätstheorie". Er selbst schreibt über seine Gefühle nach Abschluss der Arbeiten
"Im Lichte bereits erlangter Erkenntnis erscheint das glücklich
Erreichte fast wie selbstverständlich, und jeder intelligente Student erfaßt es ohne große Mühe. Aber das ahnungsvolle, Jahre
währende Suchen im Dunkeln mit seiner gespannten Sehnsucht, seiner Abwechslung von Zuversicht und Ermattung und seinem endlichen Durchbrechen der
Wahrheit, das kennt nur der, wer es selber erlebt hat."
(Einstein, Albert: Mein Weltbild, Verlag Ullstein GmbH 1972, S. 138)
Die erste Seite des Originalmanuskripts aus dem Jahr 1915 (Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:GeneralRelativityTheoryManuscript.jpg, 12.04.2021)
Im Folgenden werden ausschließlich schwache Gravitationsfelder erd- oder
sonnenähnlicher Massen mit annähernd kugelsymmetrischer Massenverteilung betrachtet.
2. Das Äquivalenzprinzip
Die Masse eines Körpers beschreibt zwei Eigenschaften, erstens dessen Trägheit, z.B. in den
Newtonschen Grundgesetzen und zweitens dessen Schwere, wie im Gravitationsgesetz. Daraus ergibt sich ein Unterschied zwischen der Gravitation und
allen anderen Kräften - ein Unterschied, der am Anfang von Einsteins Entwicklung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie stand. Dass beide
Eigenschaften durch eine Größe ausgedrückt werden können, ist nicht selbstverständlich, denn die Schwere entspricht eher
einer Art felderzeugender "Ladung". Daher wurden schon von Galilei Versuche durchgeführt, die die Gleichheit dieser beiden Größen
beweisen sollten. Versuche von u.a. Eötvös (1889), Dicke (1960), Shapiro (1976) und Adelberger (1976) zeigten die
Gleichheit mit einem relativen Fehler unter 10−13 Prozent.
Die träge Masse
Jeder Körper setzt einer Änderung seines Bewegungszustandes einen Widerstand entgegen. Wir nennen
diese Eigenschaft eines Körpers seine Trägheit oder seine träge Masse mt. Um einen Körper zu beschleunigen ist
eine Kraft nötig.
Für die Definition der trägen Masse können wir Newtons Grundgesetze der Mechanik verwenden:
Treten zwei Körper in Wechselwirkung, so üben sie aufeinander gleich große, jedoch entgegengesetzt gerichtete Kräfte aus. Daher
gilt
Diese Gleichung kann sowohl für die Definition der Massengleichheit als auch für die Definition der
Massenvielfachheit herangezogen werden. Sobald wir eine Masseneinheit definiert z.B. einen Körper willkürlich als Bezugskörper
ausgewählt haben, können wir durch die Bestimmung von Geschwindigkeitsänderungen bei Wechselwirkungen (z.B. Stoßversuchen)
im Prinzip die Massen aller anderen Körper bestimmen. Die solchermaßen definierte Masse spielt eine Schlüsselrolle in der klassischen
Mechanik - der Lehre davon, wie sich Objekte unter dem Einfluss von Kräften bewegen.
Die schwere Masse
Körper üben aufeinander anziehende Kräfte aus. Die entsprechende Eigenschaft der Körper
nennen wir ihre schwere Masse ms. Die Kraft wird durch das Newtonsche Gravitationsgesetz beschrieben.
Dabei können wir beispielsweise auf der Erdoberfläche eine bemerkenswerte Tatsache beobachten.
Lässt man die verschiedensten Objekte unter dem Einfluss der Gravitation zu Boden fallen, dann stellt man fest, dass sie alle in der gleichen
Weise beschleunigt werden. Zumindest gilt das, wenn man die Effekte der Luftreibung ausschaltet, indem man die Fallversuche etwa in einer Vakuumkammer
durchführt.
(Quelle: Icons erstellt von Freepik,
https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/feder_3230622, 04.04.2021
Icons erstellt von Pixel perfect,
https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/messen_3337019, 04.04.2021)
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https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/feder_3230622, 04.04.2021
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https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/messen_3337019, 04.04.2021)
Es gilt also für die Gravitationskraft
mit konstanter Beschleunigung g.
Wenn alle Körper gleich schnell fallen, dann bleibt ein Körper innerhalb eines frei fallenden
"Versuchslabors" in Ruhe oder im Zustand der gleichförmigen Translation, solange keine weiteren Kräfte auf ihn wirken. Er ist
gewissermaßen "schwerelos". Dies erklärt beispielweise die Schwerelosigkeit in einer antriebslos um die Erde kreisenden Raumstation oder
bei sogenannten Parabelflügen. Durch das kreisende (fallende) Labor ist ein - allerdings kleines - Inertialsystem realisiert.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020,
Icon von Icons8, https://icons8.de/icons/set/kugel, 10.04.2021)
(Quelle: Icons erstellt von Freepik, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/flugzeug_2736761, 12.09.2020)
Das Äquivalenzprinzip
Bereits in der klassischen Mechanik war das Prinzip der Äquivalenz von träger und schwerer Masse
bekannt. Es besagt in seiner klassischen Form, die man auch als schwaches Äquivalenzprinzip bezeichnet, dass die schwere Masse, die angibt, wie
stark die durch ein Gravitationsfeld an einem Körper erzeugte Kraft ist, und die träge Masse, die besagt, wie stark ein Körper durch
eine Kraft beschleunigt wird, äquivalent sind. Dies bedeutet insbesondere, dass jeder Körper sich unabhängig von seiner Masse in einem
Schwerefeld (bei Abwesenheit anderer Kräfte) gleich bewegt. Eine Folge des klassischen Äquivalenzprinzips ist, dass ein Beobachter in
einem geschlossenen Labor ohne Information von außen aus dem mechanischen Verhalten von Gegenständen im Labor nicht ablesen kann, ob er
sich in Schwerelosigkeit oder im freien Fall befindet.
Dieses Prinzip wurde von Einstein verallgemeinert: Das Einsteinsche starke Äquivalenzprinzip besagt, dass ein Beobachter in einem geschlossenen
Labor ohne Information von außen durch überhaupt kein Experiment feststellen kann, ob er sich in der Schwerelosigkeit fernab von Massen
befindet oder im freien Fall nahe einer Masse. Ein frei fallendes Bezugssystem (Labor) ist ein (lokales) Inertialsystem.
Äquivalent sind
Bezugssystem (Labor) im freien Fall (z.B. Erdumlauf)
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020)
Bezugssystem (Labor) schwebt fernab aller Himmelskörper
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020)
Jedes auf der Erde ruhende Bezugssystem (Labor) ist dagegen durch die Kraft, die von der Unterlage her
ausgeübt wird, relativ zum frei fallenden beschleunigt. Durch die Beschleunigung treten Scheinkräfte (Trägheitskräfte) auf,
die Gravitationskräfte. Die Wirkung von Schwerefeldern ist daher äquivalent einer Beschleunigung des Bezugssystems. Dadurch ist eine
Vereinheitlichung von Schwerkraft und Trägheitskraft bewerkstelligt. Beide Kräfte sind auf ein gemeinsames Phänomen
zurückgeführt und die Unterscheidung von träger und schwerer Masse ist vom Ansatz her aufgehoben. Es gilt
Äquivalent sind
Bezugssystem (Labor) steht auf der Erde
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020)
Bezugssystem (Labor) wird beschleunigt
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 01.09.2020)
3. Uhren im Gravitationsfeld
Das Verhalten von Uhren im Gravitationsfeld folgt schon aus der Speziellen Relativitätstheorie und dem
Äquivalenzprinzip. Betrachten wir die folgenden zwei Szenarien.
1. Szenarium
Ein Bezugssystem mit zwei Uhren A und B in verschiedener Höhe bewegt sich beschleunigt an
einer ruhenden Uhr C vorbei.
(Quelle: Icons erstellt von srip, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/uhr_2344312, 15.04.2021)
Uhr B bewegt sich mit der Geschwindigkeit vB an Uhr C vorbei, Uhr A mit der
größeren Geschwindigkeit vA. Für den Gang der Uhren A und B gilt entsprechend der Speziellen
Relativitätstheorie
Dabei werden die Geschwindigkeiten der Uhren A und B während der Vorbeibewegung an
Uhr C als annähernd konstant angenommen. Damit erhalten wir
Durch Anwendung der Näherungsformeln
ergibt sich für kleine Geschwindigkeiten vA und vB
2. Szenarium
Das System mit den Uhren A und B ruht in einem Gravitationsfeld einer Masse M, die
Uhr C fällt frei an ihnen vorbei. Wegen des Äquivalenzprinzips ist diese Situation gleichwertig mit der obigen.
(Quelle: Icons erstellt von srip, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/uhr_2344312, 15.04.2021)
Die Geschwindigkeiten vA und vB, mit denen die Uhr C an den
Uhren A und B vorbeifällt, erhalten wir aus dem Energiesatz.
Dabei ist φ(r) das Gravitationspotential (potentielle Energie pro Masseneinheit) im Abstand r
vom Massenzentrum der Masse M und rA bzw. rB sind die Abstände der entsprechenden Uhren. Damit gilt
Das Gravitationspotential ist entsprechend dem Newtonschen Gravitationsgesetz bei im Unendlichen
liegendem Nullniveau gegeben durch
Daraus folgt
Wegen rA < rB ist
Wir sagen:
"Die Zeit (und damit auch jeder Vorgang) wird von der Gravitation verlangsamt."
Wir betrachten zwei Sonderfälle.
1. Sonderfall
Die Uhr B ist sehr weit von der Masse M entfernt und befindet sich daher in einem nahezu von
Gravitation freien Raumgebiet. Dann gilt mit rB ≈ ∞
Befindet sich z.B. die Uhr A auf der Erdoberfläche, so erhalten wir
Dies bedeutet einen Gangunterschied zwischen Uhr A und Uhr B von ca. 0,022 Sekunden pro
Jahr.
2. Sonderfall
Die beiden Uhren A und B befinden sich in sehr geringer gegenseitiger
Entfernung H = rB − rA << rA. Dann erhalten wir
und damit
wobei g(rA) die Gravitationsbeschleunigung ist.
(Quelle: "Viennascape" by JUST NIC is licensed under CC BY 2.0,
https://search.creativecommons.org/photos/
7321e1ed-c14f-4ad8-b12e-ff2d0c2747d6, 08.04.2021)
Auch eine Uhr auf der Spitze des Südturms des Wiener Stephansdoms und eine darunter auf
dem Stephansplatz befindliche gehen verschieden schnell. Wir erhalten
Das ergibt in einem Jahr einen Gangunterschied von ca. 470 Nanosekunden.
Das Maryland-Experiment
Nach der ersten erfolgreichen Messung der relativistischen Zeitdilatation durch Hafele und Keating im
Herbst 1971 führte eine Forschergruppe der University of Maryland (USA) zwischen September 1975 und Januar 1976 ein
Experiment durch, bei dem drei Atomuhren mit Flugzeugen in verschiedene Höhen gebracht wurden. Zunächst absolvierte man mehrere
Testflüge und anschließend fünf Hauptflüge von je 15 Stunden Flugdauer (fünf Stunden in 25000 Fuß,
fünf Stunden in 30000 Fuß und fünf Stunden in 35000 Fuß Höhe). Es befanden sich ebenfalls drei Atomuhren am
Boden. Spezielle Behälter schützten diese vor äußeren Einwirkungen wie Erschütterungen, Magnetfeldern, Temperatur- und
Luftdruckschwankungen. Man verwendete Turboprop-Maschinen, die nur knapp 500 km/h erreichten, um den Geschwindigkeitseffekt (Spezielle
Relativitätstheorie) klein zu halten. Die Flugzeuge kreisten über der Chesapeake Bay (Maryland) in ständiger Sichtweite zum
Flughafen. Von dort aus wurde ihr Kurs betreffend Geschwindigkeit und Position durch Laserpeilung genau verfolgt. Die Zeit der Atomuhren am Boden
wurde durch kurze Laserimpulse ständig mit der Zeit der Atomuhren in den Flugzeugen verglichen.
(Quelle: C. O. Alley, INTRODUCTION TO SOME FUNDAMENTAL CONCEPTS OF GENERAL RELATIVITY AND TO THEIR REQUIRED USE
IN SOME MODERN TIMEKEEPING SYSTEMS, https://ntrs.nasa.gov/api/citations/19820012654/downloads/19820012654.pdf, 17.04.2021)
Wegen des Gravitationseffektes gingen die Flugzeuguhren während des Fluges laufend schneller. Nach
15 Stunden Flug ermittelte man eine Abweichung von +47,1 ns. −5,7 ns Verlangsamung verursachte der relativistische
Geschwindigkeitseffekt. Somit ergab sich eine Abweichung von +52,8 ns bedingt durch den gravitativen Effekt. Die Messungen bestätigten die
Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie mit einer Genauigkeit von ca. 1 %.
(Quelle: C. O. Alley, INTRODUCTION TO SOME FUNDAMENTAL CONCEPTS OF GENERAL RELATIVITY AND TO THEIR REQUIRED USE
IN SOME MODERN TIMEKEEPING SYSTEMS, https://ntrs.nasa.gov/api/citations/19820012654/downloads/19820012654.pdf, 17.04.2021)
(Quelle: C. O. Alley, INTRODUCTION TO SOME FUNDAMENTAL CONCEPTS OF GENERAL RELATIVITY AND TO THEIR REQUIRED USE
IN SOME MODERN TIMEKEEPING SYSTEMS, https://ntrs.nasa.gov/api/citations/19820012654/downloads/19820012654.pdf, 17.04.2021)
Eine Uhr in einer Kreisbahn um die Erde
Wir wollen jetzt den Gang zweier Uhren vergleichen. Eine ruht auf der Erdoberfläche, die zweite befindet
sich auf einer Kreisbahn um die Erde. Dabei soll die Eigenrotation der Erde nicht berücksichtigt werden.
(Quelle: Icons erstellt von srip, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/uhr_2344312, 15.04.2021)
Wegen des geringeren Einflusses des Gravitationsfeldes der Erde geht die Uhr in der Kreisbahn schneller als
die auf der Erde. Da sie sich jedoch bezüglich der Erduhr bewegt, geht sie aufgrund der Speziellen Relativitätstheorie auch etwas langsamer
als die Uhr auf der Erde. Diese beiden Einflüsse sollen nun miteinander verglichen werden, wobei für die auf der Erduhr vergangene
Zeit Δt = 1 Sekunde angenommen wird.
1. Beispiel - die Internationale Raumstation (ISS)
Die ISS kreist in rund 400 km Höhe in östlicher Richtung in etwa 93 Minuten einmal um die
Erde. Ihr Kreisbahnradius beträgt daher 6770 km und ihr Kreisbahngeschwindigkeit 7675,7 ms-1. In einer Sekunde Erdzeit
vergehen auf der ISS
ΔtSRT = 1 − 3,2768 · 10−10 s
ΔtART = 1 + 0,4115 · 10−10 s
Es überwiegt der Geschwindigkeitseinfluss, sodass eine Uhr auf der ISS in Summe langsamer geht als eine
Uhr auf der Erde.
2. Beispiel - ein Satellit des Global Positioning System (GPS)
Die Bahnhöhe eines GPS-Satelliten beträgt ca. 20200 km. Dies ergibt einen Kreisbahnradius
von 26570 km und eine Bahngeschwindigkeit von 3875 ms-1. Verglichen mit einer Sekunde Erdzeit gilt
ΔtSRT = 1 − 0,8349 · 10−10 s
ΔtART = 1 + 5,2953 · 10−10 s
Dies ergibt einen Nettoeffekt von
Δt = 1 + 4,4604 · 10−10 s. Insgesamt geht also eine Satellitenuhr schneller als eine
Uhr auf der Erde. Da jedoch die Positionsbestimmung mit Hilfe von GPS-Satelliten auf exakten Messungen der Laufzeit elektromagnetischer Wellen beruht,
würde ohne relativistische Korrektur ein Fehler von ca. 480 m pro Stunde bei der Bestimmung der Position entstehen. Daher werden
die Atomuhren in diesen Satelliten von vornherein so eingestellt, dass sie genau um den Faktor 4,4604 · 10−10
langsamer gehen. Auf ihrer Kreisbahn gehen sie dann gleich schnell wie eine Uhr auf der Erde.
Die folgende Abbildung zeigt den Gangunterschied sowohl für die gravitative als auch für die
geschwindigkeitsbedingte Zeitdilatation in Abhängigkeit vom Radius der Kreisbahn. Für einen Bahnradius vom 1,5-Fachen des Erdradius, also in
einer Flughöhe von einem halben Erdradius über der Erde heben einander die beiden Effekte genau auf. Auf einer solchen Kreisbahn vergeht die
Zeit genau so schnell wie auf der Erdoberfläche.
4. Die Gravitations-Rotverschiebung
Die Gravitations-Rotverschiebung als Konsequenz der gravitativen Zeitdilatation
Betrachten wir einen Lichtstrahl, der eine kleine Strecke H senkrecht in einem Schwerefeld nach oben
läuft.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 30.09.2020)
Der Beobachter A misst für die Dauer einer Lichtschwingung die Zeit TA, der
Beobachter B die Zeit TB. Wegen des unterschiedlichen Gangs der Uhren gilt
Aus der Beziehung
für die Frequenz f und die Schwingungsdauer T folgt für die gemessenen
Frequenzen fA und fB
Der Beobachter B misst also eine kleinere Frequenz als der Beobachter A. Dies bedeutet jedoch eine
Verschiebung des Lichts in den langwelligen (roten) Bereich des Spektrums.
Das Experiment von Pound und Rebka
Jefferson Physical Laboratory, Harvard University (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:JeffersonLeft.jpg, 19.04.2021)
Den beiden amerikanischen Physikern Robert V. Pound und Glen A. Rebka ist
es 1959 gelungen, diesen winzigen Effekt mit einer Genauigkeit von etwa 10 % experimentell zu messen. Später konnte der Messgenauigkeit auf
1 % gesteigert werden. Sie benutzten dabei die extrem scharfen Spektrallinien von radioaktiven Kobaltatomen, die dank ihrer Einbettung in ein
Kristallgitter von Eisenatomen praktisch rückstoßfrei emittieren und absorbieren (Mößbauer-Effekt). Die Höhendifferenz
des Jefferson-Turms an der Harvard University von 22,6 m genügte, um die geringe relative Frequenzänderung von
Δf/f = 10−15 nachzuweisen.
Robert V. Pound (1919 – 2010) am oberen Ende des Turms (Quelle: https://physics.aps.org/story/v16/st1, 19.04.2021)
Glen A. Rebka (1931 – 2015) am unteren Ende des Turms (Quelle: https://physics.aps.org/story/v16/st1, 19.04.2021)
5. Maßstäbe im Gravitationsfeld − Gravitation als
Geometrie der RaumZeit
Maßstäbe werden unter dem Einfluss der Schwerkraft verkürzt
Eines der Prinzipien der Speziellen Relativitätstheorie ist das der Konstanz der
Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Licht bewegt sich im Vakuum stets mit der Geschwindigkeit
c = 299 792 458 ms−1
Betrachten wir zwei Lichtstrahlen, von denen der eine sehr nahe einer schweren Masse verläuft. Da Uhren
in einem Schwerefeld langsamer gehen, hätte dieser Lichtstrahl mehr Zeit sich auszubreiten. Wir würden unterschiedliche Geschwindigkeiten
für die beiden Lichtstrahlen messen, je nachdem, ob wir uns in einem Schwerefeld befinden oder nicht.
Es kann jedoch nur eine Lichtgeschwindigkeit geben. Eine Möglichkeit diesen Widerspruch aufzuheben
besteht darin, den Raum (Maßstäbe) in der Nähe schwerer Massen "schrumpfen" zu lassen.
Tatsächlich ist die Vorhersage dieses Effekts eines der wichtigsten Ergebnisse der Allgemeinen
Relativitätstheorie und erfordert großen mathematischen Rechenaufwand. Das Ergebnis lautet
Bringt man von zwei identischen Maßstäben A und B den Maßstab A in die
Entfernung r zum Mittelpunkt einer schweren Masse M, so ist seine Länge LA kürzer als die
Länge LB des weit entfernten Vergleichsmaßstabs B.
Die effektive Lichtgeschwindigkeit
Da Maßstäbe in der Umgebung einer schweren Masse M schrumpfen und Uhren langsamer gehen,
erscheint die effektive Lichtgeschwindigkeit in der Entfernung r von der Masse M für einen weit entfernten Beobachter auf
verringert. Es muss jedoch betont werden, dass man ceff nicht durch Messungen in der Umgebung der
Masse M bestimmen kann, da der Einfluss des Gravitationsfeldes auf Maßstäbe und Uhren diesen Effekt gerade kompensiert, sodass
für die Lichtgeschwindigkeit wieder c resultiert. Relativ zu einem lokalen Bezugssystem vor Ort ist die Lichtgeschwindigkeit auch nach der
Allgemeinen Relativitätstheorie konstant und stets gleich der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c. Die Verringerung der effektiven
Lichtgeschwindigkeit lässt sich nur durch einen Vergleich mit weit außerhalb des Gravitationsfeldes angebrachten Messgeräten
ermitteln.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 30.09.2020,
Icons erstellt von xnimrodx, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/lineal-und-bleistift_2905289, 24.4.2021)
Ein Gedankenexperiment
Wie überprüft man die Aussage, dass ein Maßstab in der Nähe einer schweren Masse
verkürzt wird? Bringt man einen Vergleichsmaßstab aus großer Entfernung heran, so wird er ebenfalls verkürzt und der Unterschied
verschwindet.
Betrachten wir einen großen Kreis um eine schwere Masse (z.B. die Sonne) mit dem
Radius R. Für das Verhältnis Umfang U und Durchmesser 2R dieses Kreises gilt in der
ebenen (Euklidischen) Geometrie
Wenn jedoch Maßstäbe in der Nähe schwerer Massen verkürzt werden, passen mehr
Maßstäbe in den Durchmesser als dem Umfang entsprechen würde und es gilt
Die Euklidische Geometrie wäre dann in der Nähe schwerer Massen nicht mehr gültig.
Das Shapiro-Experiment
Im Jahr 1962 hat der amerikanische Physiker Irwin I. Shapiro vorgeschlagen,
die Geometrie in der Umgebung der Sonne zu untersuchen. Wegen der Verkürzung der Maßstäbe im Schwerefeld der Sonne sollte ein
Lichtstrahl für einen außenstehenden Beobachter "effektiv" langsamer sein d.h. es sollte sich eine Laufzeitverzögerung eines
Lichtsignals ergeben, wenn es sehr nahe an der Sonne vorbeiläuft. Shapiro hat vorgeschlagen, diese
Laufzeitverzögerung (Shapiro-Verzögerung) zu messen, indem man einige starke Radio-Signalpulse zur Venus schickt, wenn sie sich in
Opposition zur Erde befindet, und dann die Zeit bis zum Eintreffen der (extrem schwachen) reflektierten Signale misst.
Irwin I. Shapiro (*1929) (Quelle: https://www.podchaser.com/podcasts/irwin-shapiro-569873, 24.04.2021)
Zur Berechnung der Shapiro-Verzögerung wenden wir die Näherungsformel
an und erhalten für die Laufzeit tART eines Lichtsignals im Sonnensystem nach der
Allgemeinen Relativitätstheorie
Dabei ist dx das Element der Weglänge entlang der Bahn des Lichtstrahls und tN die
gemäß der Newtonschen Theorie erwartete Laufzeit.
Für einen Lichtstrahl, der knapp am Sonnenrand entlangläuft, ergibt sich für Δt
entsprechend der obigen Abbildung
wobei aE und aV die Abstände der Erde und der Venus zur Sonne sind und der
zusätzliche Faktor 2 den Hin- und Rückweg des Lichts berücksichtigt. Die Laufzeitvergrößerung um 233 µs
entspricht einer scheinbaren Vergrößerung des Abstands Erde-Venus um 35 km.
Shapiro begann 1964 mit seinem Team die Durchführung des Experimentes zu planen. Dieses fand erstmals
vom November 1966 bis zum August 1967 statt. Shapiro konnte die Ungenauigkeit seiner Messungen von anfänglich über 3 % in den
Folgejahren auf unter 1 % senken. Neuere Versionen dieses Versuches arbeiten mit Transpondern auf Raumsonden. Diese empfangen das Signal von der
Erde und senden es mit einer genau bekannten Verzögerung wieder scharf und verstärkt zur Erde zurück. Mit der Viking-Marssonde konnten
so 1979 die Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Laufzeitverzögerung im Gravitationsfeld der Sonne mit einer Genauigkeit von
0.1 % bestätigt werden. 2003 wurde mit der Raumsonde Cassini eine Genauigkeit von 0.0012 % erreicht. Die folgende Abbildung zeigt eine
von Shapiros Messungen der Laufzeitverzögerung eines Radarstrahls, der von der Venus reflektiert wird.
(Quelle: Sexl, Roman und Hannelore: Weiße Zwerge − schwarze Löcher, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1975, S. 33)
Das Konzept der Krümmung der RaumZeit
Die Laufzeitverzögerung des Radiosignals im Shapiro-Experiment in der Nähe schwerer
Massen (Sonne) kann auf zwei verschiedene Arten gedeutet werden.
ebener Raum und schrumpfende Maßstäbe
gekrümmter Raum und konstante Maßstäbe
In beiden Fällen passen mehr Maßstäbe in den Durchmesser eines Kreises als seinem Umfang
entspricht. Die folgende Animation zeigt die Gleichwertigkeit der beiden Beschreibungen.
Beim Shapiro-Experiment hat das Licht wegen der Krümmung der RaumZeit in der Nähe der Sonne einen
"längeren" Weg zurückzulegen als in der Euklidischen Geometrie.
Wir können uns eine vierdimensionale gekrümmte RaumZeit nicht vorstellen, sodass wir uns mit einem
zweidimensionalen Modell begnügen müssen. Tatsächlich ist das Konzept der Krümmung der RaumZeit dasjenige, das der Allgemeinen
Relativitätstheorie üblicherweise aufgrund des verwendeten mathematischen Kalküls (Riemannsche Geometrie) zugrunde gelegt
wird.
Die Stärke der Krümmung hängt von der Größe der Masse ab. Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt ganz extreme
Krümmungen der RaumZeit voraus. Ist eine große Masse auf ein sehr kleines Raumgebiet konzentriert (Altersphase massereicher
Sterne − Gravitationskollaps), so kann sich in ihrer Umgebung ein Teil der RaumZeit abkapseln und es entsteht eine Singularität
der RaumZeit, ein Schwarzes Loch.
Betrachten wir zwei Körper A und B in einer Ebene. Sie bewegen sich
gleichförmig entlang zweier paralleler Geraden. Solange keine Kräfte auf sie wirken, bleibt ihr Bewegungszustand
unverändert.
Sieht ihre Bewegung allerdings aus wie in der Abbildung links, so werden wir
sagen: "Zwischen den beiden Körpern wirkt eine anziehende Kraft."
Es könnte jedoch auch sein, dass sich die beiden Körper auf einer
Kugeloberfläche (in einem gekrümmten Raum) entlang zweier Großkreise (Kugelgeraden) bewegen. Auch hier ist ihre Bewegung
anfangs parallel und läuft dann in einem Punkt zusammen. Die Bewegung der beiden Körper wird also durch die besondere Geometrie des Raumes
bestimmt. Jeder der beiden Körper bewegt sich entlang einer "geraden" Linie, der räumlich kürzesten bzw. längsten Verbindung
zweier Punkte auf der Kugeloberfläche. Solche Linien genügen einem Extremalprinzip und heißen
geodätische Linien (Geodäte).
Erinnern wir uns an die Spezielle Relativitätstheorie: Von allen Weltlinien, die zwei
Ereignisse A und B (Punkte der flachen RaumZeit) verbinden, ist die der gleichförmig geradlinigen kräftefreien Bewegung
dadurch charakterisiert, dass sie das größte Eigenzeitintervall besitzt. Sie genügt ebenso einem Extremalprinzip und ist daher eine
Geodäte der Minkowski-Geometrie (vgl. Zwillingsparadoxon).
In der Allgemeinen Relativitätstheorie gehorcht die Bewegung eines Körpers in der gekrümmten
RaumZeit (Gravitationsfeld einer schweren Masse) ebenfalls diesem Extremalprinzip. Die Weltlinie zwischen zwei Punkten der RaumZeit ist eine
Geodäte d.h. eine Bewegung mit dem größten Eigenzeitintervall. Diese Bewegung ist im Allgemeinen nicht mehr geradlinig
gleichförmig, was wir als Wirkung eines Schwerefeldes deuten. Gravitation ist also nur eine besondere Form von Geometrie.
6. Die Lichtablenkung im Gravitationsfeld
Die Lichtablenkung
Neben der Laufzeitverzögerung (Shapiro-Experiment) hat die Krümmung der RaumZeit noch einen
weiteren Einfluss auf die Bahn eines Lichtstrahls, der nahe an einer schweren Masse vorbeiläuft. Er wird aus seiner geradlinigen Bahn abgelenkt,
wodurch die Lichtquelle unter einem "falschen" Winkel gesehen wird.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 30.09.2020)
Dass ein Lichtstrahl in einem Gravitationsfeld eine gekrümmte Bahn durchläuft, folgt bereits aus
dem Äquivalenzprinzip. Betrachten wir ein beschleunigtes Bezugssystem (Labor). Durch ein Fenster auf der linken Seite fällt ein
Lichtstrahl ein, der sich geradlinig ausbreitet. Für den Beobachter im Labor ist die Bahn des Lichtstrahls jedoch gekrümmt. Diese Situation
ist äquivalent zum Vorhandensein eines Gravitationsfeldes.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 30.09.2020)
Die Vorhersage der Lichtablenkung ist keine revolutionäre Erkenntnis der Allgemeinen
Relativitätstheorie. Bereits Isaac Newton vermutete 1704 in den berühmten Queries Nr. 1 seines Werkes Opticks die gravitative
Lichtablenkung, die dann im März 1801 vom deutschen Mathematiker Johann Georg von Soldner erstmals berechnet wurde. Zur
Berechnung benutzen wir eine einfache Näherung.
Auf seinem Weg durch das Schwerefeld erfährt das Licht seine größte Ablenkung in der
Sonnenumgebung. Die dort wirkende Schwerebeschleunigung können wir näherungsweise
setzen (streng gilt dies nur am Sonnenrand). Wir nehmen ferner an, dass diese Beschleunigung auf einer
Strecke 2·R, also entlang des Sonnendurchmessers, wirksam ist, während das Licht sich sonst geradlinig bewegt. Das Licht wird dadurch
in einer Wurfparabel abgelenkt, die durch
gegeben ist. Dabei können wir einfach x = c·t setzen, da die Geschwindigkeit in
y-Richtung sehr klein ist. Wir erhalten
Die Lichtablenkung δ ist dann durch den Anstieg von y(x) an der
Stelle x = 2·R gegeben.
Durch Einsetzen der Zahlenwerte erhalten wir
Der Index N bei δ zeigt an, dass es sich hier um den Newtonschen Wert für die Lichtablenkung
handelt.
Diesen Wert hatte auch Einstein bereits 1911 erhalten. Tatsächlich ist dieser Wert um den Faktor 2
zu klein. Der Grund dafür ist, dass Einstein 1911 nur mit "gekrümmter Zeit" aber noch mit einem flachen Raum gearbeitet hat. Erst die
Berücksichtigung der gekrümmten RaumZeit führte 1915 zum richtigen Ergebnis.
Die maximale Ablenkung δART (sie hängt von der Entfernung ab, in der das
Licht an der Masse vorbeiläuft) an einer Masse M mit dem Radius R ist gegeben durch
Für die Sonne ergibt sich hier der Wert δART = 1,75 Bogensekunden.
Die Vorhersage dieses Wertes war die erste konkrete der Allgemeinen Relativitätstheorie. Der Effekt war prinzipiell nachprüfbar: Sterne mit
bekannten Positionen sollten leicht verschoben erscheinen, wenn sie sich in der Nähe der Sonne befanden. Der Nachprüfung stand jedoch die
Tatsache im Weg, dass die Sonne viel zu hell schien und damit durch unsere Atmosphäre gar keine Sterne beobachtet werden konnten. Eine
Verifikation der Vorhersage war also nur bei einer totalen Sonnenfinsternis möglich.
Zum ersten Mal wurden entsprechende Messungen während einer totalen Sonnenfinsternis am
29. Mai 1919 in zwei von Arthur S. Eddington und Frank W. Dyson organisierten Expeditionen nach Afrika und
Südamerika durchgeführt. Das Ergebnis sprach eindeutig für Einstein.
Sir Arthur S. Eddington (1882 – 1944) (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arthur_Stanley_Eddington.jpg,
25.4.2021)
Frank W. Dyson (1868 – 1939) (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frank_Watson_Dyson.jpg,
25.4.2021)
Eine von Eddingtons Fotografien der Sonnenfinsternis von 1919 (abgebildet in seiner Publikation von 1920) (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1919_eclipse_positive.jpg, 25.4.2021)
Veränderung von Sternpositionen während einer Sonnenfinsternis am 21. September 1922 durch
W. W. Campbell und R. J. Trumpler (Quelle: Sexl, Roman und Hannelore: Weiße Zwerge − schwarze Löcher, Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek bei Hamburg, 1975, S. 14)
Bis 1952 liegen die Werte bei Auswertungen von Sternfeldfotographien bei Sonnenfinsternissen zwischen
1,61 Bogensekunden und 2,01 Bogensekunden, was einen relativen Fehler von mehr als 10% bedeutet. Mit der Entwicklung der Radioastronomie ist
eine Überprüfung der Theorie auch ohne Sonnenfinsternis möglich geworden. Die Sonne wandert - von der Erde aus gesehen - jedes Jahr am
8. Oktober vor dem Quasar 3C279 vorbei. In dessen Nähe liegt auch noch der Quasar 3C273, was eine präzise Messung des Winkels
zwischen diesen beiden Objekten gestattet. 1970 konnte so die Einstein'sche Vorhersage mit einem relativen Fehler von 5% bestätigt werden.
Eine andere Bestätigung dieser Vorhersage kommt von den Daten des ESO-Satelliten Hipparcos. Dieser hatte die Aufgabe, die Position von
118000 Sternen hochgenau zu vermessen, damit sie nachher als Referenzsterne gebraucht werden können. Diese Aufgabe hat er mit Bravour
gelöst. Die Winkelauflösung der Positionsmessgeräte betrug dabei 0,001 Bogensekunden, was der Größe eines Golfballs aus
5000 km Entfernung entspricht. Damit konnte er über den ganzen Himmel hinweg die Prognosen der Allgemeinen Relativitätstheorie mit
einer Genauigkeit von etwa 0.3% bestätigen.
Der Gravitationslinsen-Effekt
Eine Galaxie oder ein Galaxienhaufen lenkt das Licht eines von der Erde aus gesehen dahinter befindlichen
Objekts ähnlich einer optischen Sammellinse ab. Dieses dahinter liegende Objekt kann dabei mehrfach oder zu einem Bogen auseinandergezogen
abgebildet werden.
(Quelle: Icons erstellt von surang, https://www.flaticon.com/de/kostenloses-icon/abstand-halten_2834333, 30.09.2020,
Icons erstellt von Eucalyp, https://www.flaticon.com/free-icon/galaxy_180703, 25.4.2021)
Das Einsteinkreuz ist ein Gravitationslinsensystem im Sternbild Pegasus. Der Quasar
QSO 2237+0305 steht von der Erde aus gesehen genau hinter dem Kern einer etwa 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie, die als
Gravitationslinse wirkt. Durch die Gravitationslinse entstehen vier ähnlich helle Bilder in Form eines Kreuzes mit dem Galaxienkern im Zentrum.
Der abgebildete Quasar ist etwa 8 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Die gegenüberliegenden Bilder des Quasars im Einsteinkreuz
haben einen scheinbaren Abstand von 1,6 Winkelsekunden.
Den folgenden Smiley im All hat das Weltraumteleskop Hubble vor einigen Jahre im Sternbild Ursa
Major (Großer Bär) fotografiert. Die beiden Augen sind die Galaxien SDSSCGB 8842.3 und SDSSCGB 8842.4. Der Ring ist hingegen eine
Täuschung: Durch eine große Materieansammlung wird der Raum gekrümmt und das Licht abgelenkt. Es entsteht ein sogenannter
Einsteinring.
Zöge ein einziger Planet seine einsame Bahn um die Sonne, so müsste er dies nach Kepler und Newton
exakt auf einer in sich geschlossenen Ellipse tun.
Schon Newton hat erkannt, dass das im Sonnensystem nicht mehr der Fall ist, da die Planeten einander
ebenfalls gravitativ beeinflussen. Numerisch-iterativ lassen sich heute die Bahnen aller Planeten mit hoher Präzision für lange
Zeiträume berechnen. Es zeigt sich, dass sich die Apsidenlinien unter dem Einfluss der äußeren Planeten ganz langsam drehen, und zwar
in derselben Richtung, in der die Planeten umlaufen. Daraus resultiert eine rosettenartige Bahn, wobei der Effekt in der folgenden Animation stark
übertrieben dargestellt ist.
Dabei klafft allerdings eine kleine Differenz zwischen den errechneten Werten für diese Periheldrehung
und denjenigen, welche die beobachtende Astronomie gemessen hat. Die folgende Tabelle gibt für die drei innersten Planeten des Sonnensystems die
Länge a der großen Halbachse, die Exzentrizität ε der Bahnellipse sowie die berechneten und tatsächlich
beobachteten Werte der Periheldrehung φ in der Einheit 'Bogensekunden pro Erdjahrhundert' an. Die Unschärfe der eingetragenen Werte kann
der Spalte 'Differenz' entnommen werden.
Die Differenz zwischen dem berechneten und dem gemessenen Wert ist insbesondere beim Merkur so groß,
dass sie nach einer Erklärung verlangt. Der französische Astronom Urbain Le Verrier, der 1845 aus den Bahnstörungen des
Planeten Uranus die Existenz und die Position des neuen Planeten Neptun errechnet hat, postulierte daher 1859 die Existenz eines weiteren
Planeten Vulkan, welcher seine Bahn noch näher bei der Sonne als Merkur ziehen sollte.
Die Allgemeine Relativitätstheorie erklärt genau diese Differenz zwischen der Rechnung innerhalb der Newtonschen Theorie und der
Beobachtung. Einstein war überglücklich, als er Ende 1915 ausrechnen konnte, dass seine neue Theorie für den Merkur eine
zusätzliche Periheldrehung von gerade 43 Bogensekunden pro Erdjahrhundert prognostizierte. Die entsprechende Beziehung lautet
In dieser Gleichung bedeutet Δφ die zusätzliche Drehung des Perihels pro Umlauf im
Bogenmaß, M die Masse der Sonne, a die Länge der großen Halbachse der Bahnellipse und ε deren numerische Exzentrizität.
Der Effekt nimmt also mit zunehmendem Abstand a von der Sonne ab und ist bei stark elliptischen Bahnen größer als bei
kreisförmigen. Daher drängt sich Merkur als Kandidat richtig auf. Kleine Exzentrizitäten wie bei der Venus schwächen nicht nur den
Effekt, sondern machen es auch schwer, diese Periheldrehung zu beobachten.
Der Effekt der Periheldrehung hat zwei Ursachen. Erstens ist für eine genaue Berechnung der Planetenbahn
die speziell relativistische Massenzunahme
zu berücksichtigen (m ist die Ruhmasse des Planeten). Sie liefert einen Beitrag zur Periheldrehung.
Die zweite Ursache liegt im Gravitationsfeld der Sonne selbst. Analog zu einem elektrostatischen Feld besitzt auch ein Gravitationsfeld eine
Energiedichte und daher gemäß
auch eine Massendichte, die zur Anziehungskraft der Sonne einen Beitrag liefert. Die folgende Tabelle zeigt
einen Vergleich mit dem elektrostatischen Feld einer Punktladung Q und dem Gravitationsfeld einer Masse M.
Die Formeln für das Gravitationsfeld folgen aus denen des elektrostatischen Feldes, wenn man die
Ladung Q durch die Masse M und die Dielektrizitätskonstante ε0 durch −1/(4·π·G) ersetzt.
Das negative Vorzeichen für das Gravitationsfeld resultiert daraus, dass gleichnamige Ladungen einander abstoßen, Massen jedoch einander
anziehen. Wir wollen im Folgenden die Periheldrehung näherungsweise berechnen.
Auf einen Planeten, der sich um die Sonne auf einem Kreis mit Radius r bewegt, wirkt nicht die volle
Sonnenmasse M, sondern eine Masse Mr, die um das Massenäquivalent der Feldenergie außerhalb von r verringert ist.
Durch Einsetzen erhalten wir für die Energiedichte des Gravitationsfeldes
und damit für die Masse Mr
Mr ist größer als M, da ein Teil der negativen Feldenergie nicht auf den Planeten
wirkt. Zur Berechnung der Planetenbahn verwenden wir den Energiesatz, der in seiner abgeänderten Form durch
gegeben ist. Wegen
erhalten wir
Wir setzen für mD und Mr in den Energiesatz ein.
Da sich der Planet auf einer Kreisbahn bewegt, gilt
bzw.
Durch Einsetzen erhalten wir
Die relativistische Korrektur ergibt also ein zusätzliches Potential
zum Newtonschen Potential
Das Newtonsche Potential VN dreht während eines Umlaufs um die Sonne den
Radiusvektors r des Planeten um 2·π. Wir können nun annehmen, dass die zusätzliche Drehung Δφ sich zu
2·π so verhält wie das Zusatzpotential VZ zum Newtonschen Potential VN und erhalten
bzw.
Vergleichen wir mit dem Ergebnis von Einstein
so sehen wir, dass unsere Näherung größenordnungsmäßig ein richtiges Ergebnis
liefert.
8. Gravitationswellen
Die Entstehung von Gravitationswellen
Gravitationswellen sind kleine Änderungen in der Struktur der RaumZeit, die sich mit
Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie wurden von Albert Einstein aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie 1920 theoretisch vorhergesagt. Er
hielt jedoch ihren experimentellen Nachweis für praktisch unmöglich, da alle erdenklichen Experimente zu unmessbar kleinen Effekten
führen sollten.
Diese RaumZeit-Wellen entstehen, wenn große Massen oder Energieformen hinreichend beschleunigt werden. Analog zu beschleunigten elektrischen
Ladungen, die elektromagnetische Wellen emittieren wird Gravitationsenergie in Wellenform abgestrahlt. Anders als bei der elektrischen Ladung gibt es
keine negative Masse. Damit existieren keine Dipole von Massen. Ohne Dipole kann es jedoch keine Dipolstrahlung geben. Beschleunigte Massen
führen jedoch zur Quadrupolstrahlung, wobei das sogenannte Quadrupolmoment einer Massenverteilung die Abweichung einer Masse von der Kugelform
angibt.
Die Stärke der Gravitationswellen hängt von der bewegten Masse und deren Geschwindigkeitsänderung ab. Am stärksten und damit noch
am ehesten beobachtbar sind sie bei sehr massiven, sehr stark beschleunigten astronomischen Objekten. Mögliche Quellen von Gravitationswellen
sind einander umkreisende Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Auch asymmetrische Supernovaexplosionen sind potentielle Emitter von kurzzeitigen
Gravitationswellen (Burstquellen).
Indirekter Nachweis von Gravitationswellen
Der erste indirekte Nachweis von Gravitationswellen gelang den beiden amerikanischen Physikern
Russell A. Hulse und Joseph H. Taylor Jr.
Russell A. Hulse (*1950, Nobelpreis 1993) (Quelle: https://www.nobelprize.org/prizes/physics/1993/hulse/biographical/,
28.4.2021)
Joseph H. Taylor Jr. (*1941, Nobelpreis 1993) (Quelle: https://www.nobelprize.org/prizes/physics/1993/taylor/biographical/,
28.4.2021)
Sie analysierten 25 Jahre lang die Abweichungen in den Bahndaten des Binärpulsars PSR 1913+16.
PSR 1913+16 ist ein Pulsar im Sternbild Adler. Er befindet sich in einer Entfernung von 21.000 Lichtjahren. Zusammen mit einem weiteren,
unsichtbaren Neutronenstern bildet er ein Doppelsternsystem. Beide Sterne haben die typische Masse eines Neutronensterns von
1,4 Sonnenmassen (1,442 der sichtbare Pulsar und 1,386 der unsichtbare Begleiter). Sie umlaufen den gemeinsamen Schwerpunkt in
7,75 Stunden.
Die beiden Physiker konnten eine Abnahme der Bahnperiode des Binärsystems verzeichnen. Die Abnahme der
Bahnperiode (Umlaufperiode) lässt sich durch die bei der Umkreisung abgestrahlten Gravitationswellen und den dadurch bedingten
Energieverlust in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie erklären. Dafür erhielten Hulse und Taylor 1993 den
Nobelpreis für Physik.
Gravitationswellen sind Transversalwellen und verursachen quer zu ihrer Ausbreitungsrichtung Stauchungen und
Streckungen des Raumes, d.h. Längenänderungen.
Diese nachzuweisen ist jedoch ein schwieriges Unterfangen, da ihre Größenordnung bestenfalls
10−18 m beträgt. Eine Strecke von 3 km Länge würde durch Gravitationswellen eine Änderung von lediglich
einem Tausendstel eines Protonendurchmessers erfahren.
Das Verfahren für den direkten Nachweis von Gravitationswellen beruht auf dem Michelson-Interferometer.
Zwei in rechtwinkelig zueinander angeordneten Zylindern laufende Laserstrahlen interferieren destruktiv
miteinander, da die Lichtwellen so eingestellt werden, dass sie im Gegentakt schwingen. Die Überlagerung ist also dunkel. Sobald eine minimale
Veränderung eintritt, d.h. die Länge eines der rechtwinklig zueinander angeordneten Zylinder sich verändert, ist die destruktive
Interferenz nicht mehr vollständig und man kann ein Muster erkennen, die Überlagerung gewinnt an Helligkeit. Die Verschiebung der Wellen
untereinander (Phasenverschiebung) entspricht dann der Längendifferenz beider Zylinderarme zueinander.
Die großen Herausforderungen bei diesen Versuchsanordnungen bestehen darin, die vielen Störquellen, die ein Signal verdecken würden,
auszuschalten. Dazu gehören zum Beispiel Luftdruck- und Temperaturschwankungen, sowie Bodenerschütterungen aller Art.
Virgo-Gravitationswellendetektor des Europäischen Gravitationswellen-Observatoriums (EGO)
in Santo Stefano a Macerata (Cascina) in Italien (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2015_11_06_VirgoAerialView_2.jpg, 28.4.2021)
Am 11. Februar 2016 gaben Wissenschaftler den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen aus
dem laufenden LIGO-Experiment (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) bekannt. Das Ereignis wurde am 14. September 2015
nahezu zeitgleich mit 7 ms Differenz in den beiden LIGO-Observatorien in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana) in den USA
beobachtet.
Es wurden umfangreiche statistische Analysen durchgeführt. Zu den Befunden gehört, dass das
Ergebnis mit mehr als fünffacher Standardabweichung signifikant und eindeutig ist. Das messbare Ereignis dauerte 0,2 Sekunden.
Die Form des Signals war von einer charakteristischen Form in der Art eines Wavelets, die Vorhersagen aus numerischen Simulationen der Kollision
zweier Schwarzer Löcher bestätigte. Es war eine Sinuswelle von 10 bis 15 Zyklen, deren Amplitude bis zu einem Maximum zunahm
und dann mit konstanter Frequenz abflaute. Die Signalfrequenz vor der Kollision war proportional zur monoton ansteigenden Umlauffrequenz der sich
immer mehr annähernden und einander (zuletzt mit annähernd Lichtgeschwindigkeit) umkreisenden beiden Schwarzen Löcher, sodass die
Frequenz bis zu einem konstanten Wert anstieg. Die Amplitude war bis zur Kollision proportional zur Umlaufgeschwindigkeit der Schwarzen Löcher.
Das Ereignis fand in einem Abstand von 1,3 Milliarden Lichtjahren statt. Zwei Schwarze Löcher von rund
29 und 36 Sonnenmassen umkreisten einander und fusionierten zu einem Schwarzen Loch von 62 Sonnenmassen, das
Energieäquivalent von 3 Sonnenmassen wurde in Form von Gravitationswellen abgestrahlt.
Das Signal war so intensiv (es war wider Erwarten auch "mit bloßem Auge" in den Daten zu sehen),
dass auch getestet werden konnte, ob Abweichungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie existieren, was nicht der Fall war. Forscher dieser Gruppe
erhielten 2017 den Nobelpreis für Physik.
Literatur:
Höfling, Oskar: Physik - Lehrbuch für Unterricht und Selbststudium, 15. Aufl., Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn 1987
Westphal, Wilhelm H.: Physik, 25./26. Aufl., Springer-Verlag, Berlin · Heidelberg · New York 1970
Gerthsen, Christian / Kneser, Hans Otto / Vogel, Helmut: Physik, 14. Aufl., Springer-Verlag, Berlin · Heidelberg · New York 1982
Tipler, Paul A. / Mosca, Gene: Physik für Wissenschaftler und Ingenieure, 6. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009
Dobson, Ken / Grace, David / Lovett, David: Physics, Published by HarperCollinsPublishers Limited, London 2002
Schreiner, Josef: Lehrbuch der Physik 1. Teil, 2. Aufl., Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1969
Schreiner, Josef: Lehrbuch der Physik 2. Teil, 1. Aufl., Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1964